Patient:in verweigert Behandlung/Transport
1 Unterbringung (UBG)
Bestehen Hinweise darauf, dass eine Psychiatrie-Unterbringung indiziert sein könnte, muss die Polizei hinzugezogen werden. Sanitäter:innen und Notärzt:innen haben im Zuge von Unterbringungen keine Zwangsbefugnisse. Schutzmaßnahmen durch den Rettungsdienst (zB: Sedierung durch den Notarzt) kann nur in äußersten Grenzfällen erwogen werden (Voraussetzungen siehe unten unter "4 Schutzmaßnahme gerechtfertigt").
In einer psychatrischen Abteilung darf nur untergebracht werden, wer
- an einer psychischen Krankheit leidet und
- im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet und
- nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer psychiatrischen Abteilung, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann.
2 Patient entscheidungsfähig
Das behandelnde Gesundheitspersonal (Sanitäter:innen/Notärzt:innen) muss bei jedem Patienten die Entscheidungsfähigkeit abschätzen.
Nach den gesetzlichen Vorgaben ist entscheidungsfähig, wer
- die Bedeutung und die Folgen seines Handelns im jeweiligen Zusammenhang versteht,
- seinen Willen danach bestimmen und
- sich entsprechend verhalten kann.
Dabei ist zu beachten, dass die Willensbestimmung eines entscheidungsfähigen Patienten durchaus höchst subjektiv und weder objektiv nachvollziehbar, noch zwingend "vernünftig" sein muss.
Die Entscheidungsfähigkeit ist dabei immer im Einzelfall in der aktuellen Situation und zum aktuellen Zeitpunkt zu beurteilen. Auch ein vertretener Patient kann damit entscheidungsfähig sein und kann dann nicht vertreten werden.
Bei Kindern wird ab dem vollendeten 14. Lebensjahr von der Entscheidungsfähigkeit ausgegangen.
Vertretung
Ist ein Patient nicht entscheidungsfähig, kann er durch einen Vorsorgebevollmächtigten oder einen Erwachsenenvertreter (bei Kindern unter 14 Jahre ein Obsorgeberechtigter) vertreten werden. Der Vertreter kann die Behandlung/den Transport des vertretenen Patienten ablehnen.
Obsorgeberechtigte haben dabei das Wohl ihrer Kinder zu beachten.
Vorsorgebevollmächtigte und Erwachsenenvertreter haben dabei den (vermuteten) Willen der vertretenen Person zu beachten.
Besteht der begründete Verdacht, dass ein Vertreter das Wohl seines Kindes oder den Willen der vertretenen Person nicht beachtet, kann eine Anzeige bei der Polizei durchgeführt werden (Bei Gefahr in Verzug: Alarmierung der Polizei).
3 Revers
Ein Revers liegt vor, wenn ein:e Patient:in eine vom Sanitäter:in angeratene Untersuchung, Versorgung oder Transport ablehnt. Der Revers ist unabhängig von der Bereitschaft der Patient:innen ein Reversformular zu unterschreiben gültig und zu respektieren.
Der Revers kommt nur in Frage, wenn dem Patienten die Untersuchung, Versorgung oder der Transport tatsächlich empfohlen wurde. Wir dem Patienten der Transport nicht empfohlen, liegt eine Belassung vor (siehe BLL "Fehlende Notfallsymptomatik").
Liegen Hinweise vor, dass es sich um einen akuten Notfall handelt, soll zusätzlich mit dem Telenotarzt Rücksprache gehalten werden.
Auf Grund des erhöhten rechtlichen Risikos bei Reversen und Belassungen ist eine ausführliche Dokumentation obligat.
4 Schutzmaßnahme gerechtfertigt
Die Regeln des Unterbringungsgesetzes können nur dann angewendet werden, wenn der psychisch kranke Patient zur Gefahrenabwehr in eine Psychiatrie gebracht wird. Wehrt sich ein nicht entscheidungsfähiger Patient gegen die Behandlung/den Transport hat die Polizei damit keine Zwangsbefugnisse.
Liegt eine offensichtliche Lebensgefahr oder die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung vor, kann es gerechtfertigt sein, dass der Rettungsdienst Schutzmaßnahmen gegen den Patientenwillen ergreift. Dabei muss eine ausführliche Abwägung erfolgen, die folgende Fragen beinhalten muss:
- Gibt es nachvollziehbare Gründe für die Ablehnung?
- Ist eine Akutbehandlung notwendig (offensichtliche (Abwendung einer offensichtlichen Lebensgefahr oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung - mindestens RETTS Dringlichkeitsstufe ROT)?
- Gibt es eine weniger eingreifende Maßnahme, die die Lebensgefahr oder die Gesundheitsschädigung abwenden kann?
- Ist die Maßnahme verhältnismäßig?
Eine ausführliche Dokumentation ist in diesen Fällen obligat.
5 Keine Behandlung/Transport - Vertreter kontaktieren
Wehrt sich ein nicht entscheidungsfähiger Patient gegen die Behandlung/den Transport, kann dieser nicht einfach dazu gezwungen werden. Es muss versucht werden, mit dem Vertreter des Patienten Kontakt aufzunehmen und den Grund für die Ablehnung herauszufinden. Gemeinsam mit dem Vertreter muss eine Lösung gefunden werden, die dem Patientenwillen optimal entspricht (Bei Kindern muss der Obsorgeberechtigte das Kindeswohl beachten). Besteht eine offensichtliche Lebensgefahr oder die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung, kann eine Schutzmaßnahme gegen den Patientenwillen in Erwägung gezogen werden (Voraussetzungen siehe unten unter "4 Schutzmaßnahme gerechtfertigt").
Liegt eine allgemeine Gefährdung vor (Verwahrlosung, unbegleitetes Kind...), kann die Polizei alarmiert werden.