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Akutes Koronarsyndrom (ACS)

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(1) STEMI

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Bezeichnung

Kriterien Grafik (© ESC)

STEMI

(anhaltender akuter Koronararterienverschluss)

neu auftretende ST-Hebungen am J-Punkt in ≥ 2 benachbarten Ableitungen

≥ 2,5 mm bei Männern < 40 Jahre, ≥ 2 mm bei Männern ≥ 40 Jahre oder ≥ 1,5 mm bei Frauen (unabhängig vom Alter) in V2-V3 und/oder ≥ 1 mm in den anderen Ableitungen

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posteriorer STEMI ST-Senkung in den Ableitungen V1-V3, insbesondere wenn die terminale T-Welle positiv ist und gleichzeitige ST-Segment-Hebung ≥0,5 mm in den Ableitungen V7-V9

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LCx-Verschluss, Rechtsherzinfarkt ST-Hebungen in V7-V9 bzw. V3R und V4R

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Ischämie mehrerer Gefäße/Obstruktion der linken Hauptkoronararterie ST-Senkungen ≥ 1 mm in 6 oder mehr Ableitungen in Kombination mit ST-Hebungen in aVR und/oder V1

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Linksschenkelblock

(wahrscheinlich neu aufgetreten in Kombination mit ACS-Symptomatik)

QRS-Dauer größer als 120 ms, Fehlen der Q-Welle in den Ableitungen I, V5 und V6, monomorphe R-Welle in I, V5 und V6, ST- und T-Wellenverschiebung gegenüber der Hauptauslenkung des QRS-Komplexes

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Rechtsschenkelblock 

(wahrscheinlich neu aufgetreten in Kombination mit ACS-Symptomatik)

QRS-Dauer größer als 120 ms, rsR' "Hasenohr"-Muster in V1-V3, Verschwommene S-Wellen in Ableitungen I, aVL und häufig V5 und V6

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Quelle: European Society of Cardiology (2023 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes)
Alle Grafiken (C) by ESC

(2) NSTE-ACS mit Hochrisiko-EKG

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Bezeichnung Kriterien Grafik (© ESC)
isolierte T-Wellen-Umkehr T-Wellen-Umkehr>1 mm in ≥5 Ableitungen einschließlich I, II, aVL und V2-V6

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ST-Senkungen J-Punkt abgesenkt um ≥0,5 mm in den Ableitungen V2 und V3 oder ≥1 mm in allen anderen Ableitungen gefolgt von einem horizontalen oder abfallenden ST-Segment für ≥0,08 s in ≥1 Ableitungen (außer aVR)

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vorübergehende ST-Strecken-Hebung ST-Strecken-Hebung in ≥2 zusammenhängenden Ableitungen von ≥2,5 mm bei Männern <40 Jahren, ≥2 mm bei Männern ≥ 40 Jahren oder ≥1,5 mm bei Frauen unabhängig vom Alter in den Ableitungen V2-V3 und/oder ≥1 mm in den anderen Ableitungen mit einer Dauer <20 min

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De-Winter-T-Welle

(Zeichen für Vorderwandinfarkt oder starke Stenose der LAD)

1-3 mm ansteigende ST-Streckensenkung am J-Punkt in den Ableitungen V1-V6, die in hohe, positive und symmetrische T-Wellen übergeht

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Wellens-Syndrom

(Zeichen für Vorderwandinfarkt oder starke Stenose der LAD)

Isoelektrischer oder minimal erhöhter J-Punkt (<1 mm) + biphasische T-Welle in den Ableitungen V2 und V3 (Typ A) oder symmetrische und tief invertierte T-Wellen in den Ableitungen V2 und V3, gelegentlich in den Ableitungen V1, V4, V5 und V6 (Typ B)

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Quelle: European Society of Cardiology (2023 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes)
Alle Grafiken (C) by ESC

(3) NSTE-ACS mit Instabilitätskriterium
  • Hämodynamische Instabilität oder kardiogener Schock
  • Anhaltende oder wiederkehrende, therapierefraktäre Brustschmerzen
  • Lebensbedrohliche Arrhythmien oder Kreislaufstillstand
  • Akute Herzinsuffizienz
  • Wiederkehrende dynamische ST-Segment- oder T-Wellen-Veränderungen

Quelle: NÖ Handlungsempfehlung zur prähospitalen Gerinnungstherapie 10/2024 NÖ-LGA Fachbeirat Kardiologie und Herzchirurgie

Acetylsalicylsäure | oral | Erwachsene
Dosierung 150-320 mg
Art Einzeldosis
Kontraindikationen
  • Allergie gegenüber dem Wirkstoff oder NSAR oder sonstige Bestandteile
  • aktuell vorgehender schwerer Asthmaanfall
  • akute Magen-Darm-Geschwüre und Magen-Darm-Blutungen
  • akute schwere Leber- und Niereninsuffizienz
Nebenwirkungen
  • ASS-induzierter Asthmaanfall - lt. Behandlungsleitlinie Atemwegsobstruktion behandeln
  • 8-20 % der Personen mit Asthma haben eine ASS-Intoleranz und können einen Asthmaanfall bekommen
  • allergische Reaktionen
  • Magen-Darm-Beschwerden (Sodbrennen, Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen)
  • ZNS-Störungen (Schwindel, Kopfschmerzen, Tinnitus)
    Verlängerung der Blutungszeit
Schwangerschaft/Stillzeit Verabreichung nach TNA-Callback möglich.

Acetylsalicylsäure | intravenös | Erwachsene
Dosierung 250 mg
Art Einzeldosis
Zubereitung 1 Trockenstechampulle mit 500 mg Wirkstoff mit 5 ml Aqua auflösen, davon 2,5 ml applizieren
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Kontraindikationen
  • Allergie gegenüber dem Wirkstoff oder NSAR oder sonstige Bestandteile
  • aktuell vorgehender schwerer Asthmaanfall
  • akute Magen-Darm-Geschwüre und Magen-Darm-Blutungen
  • akute schwere Leber- und Niereninsuffizienz
Nebenwirkungen
  • ASS-induzierter Asthmaanfall - lt. Behandlungsleitlinie Atemwegsobstruktion behandeln
  • 8-20 % der Personen mit Asthma haben eine ASS-Intoleranz und können einen Asthmaanfall bekommen
  • allergische Reaktionen
  • Magen-Darm-Beschwerden (Sodbrennen, Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen)
  • ZNS-Störungen (Schwindel, Kopfschmerzen, Tinnitus)
    Verlängerung der Blutungszeit
Schwangerschaft/Stillzeit Verabreichung nach TNA-Callback möglich.

Morphin | intravenös | ACS | Erwachsene
Dosierung 2-3 mg
Art Wiederholung möglich
Applikation langsam verabreichen
Zubereitung Ampulle = 10 mg = 1 ml verdünnen mit 9 ml NaCl auf 10 ml: Einzeldosis ist dann 2-3 ml
Hinweis Wechselwirkungen mit Psychopharmaka, Benzodiazepinen und Alkohol
Kontraindikationen
  • Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder sonstige Bestandteile
  • Atemdepression

  • paralytischer Ileus
    schwere chronisch obstruktive Atemwegserkrankung

  • zerebrale Krampfanfälle

  • akutes Abdomen

  • akute Lebererkrankung

  • schwere Schädel-Hirn-Traumen, erhöhter Hirndruck

  • Koliken im Magen-Darm-Trakt oder Urogenitaltrakt 

  • Schwere Hypotonie 

Nebenwirkungen
  • Atemdepression, Atemstillstand

  • Bewusstlosigkeit

  • Hypotonie

  • Schwindel

  • Herzklopfen

  • Übelkeit, Erbrechen

  • Kopfschmerzen

  • Benommenheit

  • Bronchospasmus

  • zerebraler Krampfanfall (insbesondere bei Kindern bei hoher Dosierung)

Schwangerschaft/Stillzeit Verabreichung eingeschränkt möglich.

Midazolam | intravenös | ACS | Erwachsene
Dosierung
Gewicht/Alter Dosis Volumen (5 mg/ml)
< 50 kg 1 mg 0,2 ml
ab 50 kg 2 mg 0,4 ml
ab 65. vLJ 1 mg 0,2 ml
Art

Wiederholung möglich

Zubereitung

Nicht verdünnen

1 mg = 0,2 ml aus Ampulle zu 1 ml (5 mg/ml)

Hinweis

Alkohol, Psychopharmaka, Opioide verstärken die Wirkung und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Nebenwirkungen.

Kontraindikationen
  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, Bestandteile und gegen andere Benzodiazepine 
  • bestehende Atemdepression
  • reduziertes Bewusstsein
Nebenwirkungen
  • Atemdepression, Atemstillstand
  • ZNS-Störungen ( Verwirrtheit, Schwindel, Sedierung, Kopfschmerzen)
  • anterograde Amnesie
  • Bradykardie, Hypotonie
  • paradoxe Reaktionen (z. B. akute Erregungszustände, Wutanfälle, Halluzinationen) gehäuft bei Kindern und älteren Menschen
  • Venenreizung und Thrombophlebitis
Schwangerschaft/Stillzeit Verabreichung möglich.

Heparin | intravenös | Erwachsene
Dosierung

bei primärer PCI: 70-100 IE/kg KG (max. 4.000 IE)

bei Lyse und verzögerter PCI: 60 IE/kg KG (max. 4.000 IE)

Art Einzeldosis
Zubereitung

Nicht verdünnen

4.000 IE = 4 ml aus Ampulle mit 10 ml (1.000 IE/ml)

Kontraindikationen
  • Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder sonstige Bestandteile
  • HIT-Anamnese (heparininduzierte Thrombozytopenie Typ 2)
  • hämorrhagische Diathesen (z.B. Hämophilie, Thrombozytopenie)
  • Blutungen im Gastrointestinaltrakt, in der Lunge, der Niere
  • akute intrakranielle Blutungen (Trauma, SHT)
  • schwere Erkrankungen von Leber, Pankreas oder Niere
  • Erkrankungen, bei denen der Verdacht einer Läsion des Gefäßsystems besteht
Nebenwirkungen
  • erhöhte Blutungsbereitschaft

  • allergische Reaktion u.a. Exantheme

  • Bronchospasmus

  • Blutdruckabfall

  • Hautnekrosen

  • Thrombozytopenie mit und ohne Thromben

Schwangerschaft/Stillzeit Verabreichung möglich.

Ticagrelor | oral | Erwachsene
Dosierung 180 mg
Art Einzeldosis
Zubereitung 180 mg = 2 Tabletten zu 90 mg
Hinweis Nur bei STEMI und nur nach Rücksprache mit dem anzufahrenden PCI-Zentrum verabreichen!
Kontraindikationen
  • Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder sonstige Bestandteile
  • akute, pathologische Blutungen
  • intrakranielle Blutung in der Patientengeschichte
  • schwere Leberfunktionsstörung
Nebenwirkungen
  • Dyspnoe
  • Nasenbluten
  • Blutungen im Verdauungstrakt
  • Blutungen in der Haut und unter der Haut
  • Blutungen aus der Lunge
  • Bradykardie
  • allergische Reaktionen
Schwangerschaft/Stillzeit Verabreichung eingeschränkt möglich.

Tenecteplase | intravenös | Erwachsene
Dosierung

 

Gewicht/Alter Menge Volumen (10.000 IE Pulver plus 10 ml Lösungsmittel)
< 60 kg 6.000 IE 6 ml
60-70 kg 7.000 IE 7 ml
70-80 kg 8.000 IE 8 ml
80-90 kg 9.000 IE 9 ml
> 90 kg 10.000 IE 10 ml
≥ 75 Jahre: Halbierung der Dosis
Art Einzeldosis
Zubereitung 10.000 IE Pulver mit 10 ml Lösungsmittel auflösen
Kontraindikationen

Absolute Kontraindikationen

  • Zustand nach Hirnblutung
  • Zustand nach ischämischem Insult < 6 Monate
  • ZNS Schädigung oder Neubildung oder AV Malformation
  • Schweres Trauma/Chirurgischer Eingriff/SHT < 1 Monat
  • Gastrointestinale Blutung < 1 Monat
  • Blutgerinnungsstörung
  • Aortendissektion
  • Nicht komprimierbare Punktion < 24 h
  • Infektiöse Endokarditis

Relative Kontraindikationen

  • TIA < 6 Monate
  • Orale Antikoagulation
  • Schwangerschaft + 1 Woche postpartal
  • Refraktäre Hypertonie RR syst > 180 mmHg
  • Höhergradige Leberfunktionsstörung
  • Aktives peptisches Ulkus
  • Prolongierte oder traumatische CPR
Nebenwirkungen  
  • Blutungen (schwere, unstillbare Blutungen bis hin zum Tod) im Gehirn, Auge, Lunge, Nase, Gastrointestinaltrakt, Harnwege)

  • Hypotonie

  • Reperfusionsarrhythmien

  • anaphylaktische Reaktionen

Schwangerschaft/Stillzeit Verabreichung eingeschränkt möglich.

Clopidogrel | oral | Erwachsene
Dosierung
Alter Dosierung
< 75 a 300 mg
≥ 75 a 75 mg
Art Einzeldosis
Zubereitung 1 Tablette zu 300 mg oder 1 Tablette zu 75 mg
Kontraindikationen
  • Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder sonstige Bestandteile
  • schwere Leberfunktionsstörungen
  • akute pathologische Blutung (wie bei Magen-Darm-Geschwüren oder intrakraniellen Blutungen)
Nebenwirkungen
  • stärkere Blutungsneigung im Gastrointestinaltrakt
  • Gefahr der intrakraniellen Blutung
  • Magen-Darm-Beschwerden (Bauchschmerzen, Durchfall)
  • allergische Reaktionen
  • ZNS-Störungen 
Schwangerschaft/Stillzeit Verabreichung eingeschränkt möglich.

Therapieziel

Erkennen von Patient:innen mit STEMI und NSTE-ACS mit sehr hohem Risiko, sodass diese möglichst rasch einer PCI zugeführt werden können.

Schmerztherapie beim ACS

Beim ACS wird die Schmerztherapie mit Opioiden durchgeführt. Diese sind aktuell für Notfallsanitäter:innen nicht freigegeben. Esketamin ist kontraindiziert aufgrund der sympathomimetischen Wirkung. Metamizol ist kontraindiziert aufgrund der Wechselwirkungen mit Acetylsalicylsäure.

Erläuterungen

Überblick über das ACS

Das akute Koronarsyndrom umfasst ein breites Spektrum. Patient:innen mit einem ACS können sich auf verschiedene Weise präsentieren. Für uns im Rettungsdienst ist wichtig, möglichst früh entscheiden zu können, ob eine primäre PCI anzustreben ist.

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Grafik © European Society of Cardiology

Bei der Entscheidung ist das EKG und die Klinik der Patient:innen selbst zu beurteilen: Patient:innen mit entsprechenden EKGs (STEMI und NSTE-ACS mit Hochrisiko-EKG) oder klinischen Instabilitätskriterien (Hämodynamische Instabilität oder kardiogener Schock, anhaltende oder wiederkehrende, therapierefraktäre Brustschmerzen, lebensbedrohliche Arrhythmien oder Kreislaufstillstand, akute Herzinsuffizienz, wiederkehrende dynamische ST-Segment- oder T-Wellen-Veränderungen sind in akuter Lebensgefahr und benötigen eine raschestmögliche Reperfusionstherapie (=Herzkatheteruntersuchung). Für uns bedeutet das einen raschen Transport in eine Klinik mit Möglichkeit zur sofortigen PCI. Patient:innen mit NSTE-ACS ohne sehr hohem Risiko können in die nächste Notaufnahme transportiert werden.

Welche Ableitungen hängen mit welcher Herzregion zusammen?

In einer Spalte angeführte Ableitungen beziehen sich auf die gleichen Herzkranzarterien. Sie sind im Sinne der Infarktdiagnostik zusammenhängend. 

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Quellenangaben

2023 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes

NÖ Handlungsempfehlung zur prähospitalen Gerinnungstherapie 10/2024 NÖ-LGA Fachbeirat Kardiologie und Herzchirurgie

Erläuterungen

Die ASS-Gabe senkt die 35-Tage-Letalität beim STEMI um ca. 20%.

Die Freigabe der Arzneimittel dieser Behandlungsleitlinie wird empfohlen durch das ÖRK-Bundeschefärztegremium.

Die Behandlungsleitlinie ist in dieser (oder sehr ähnlicher) Form international üblich für ALS-Personal.

Die Behandlungsleitlinie entspricht der aktuellen wissenschaftlichen Empfehlung für den deutschsprachigen Raum. 

Version
Version BLLNOE 24.1.1

03/2025

Änderung Darstellung Klappboxen

Version BLLNOE 24.1

12/2024

Anpassung an Handlungsempfehlung zur prähospitalen Gerinnungstherapie NÖ (alle Arzneimittel der ACS-Handlungsempfehlung wurden in der BLL hinzugefügt)

Version BLLNOE 24.0

06/2024

Darstellung nach neuem Designkonzept

Dosierungsspielraum bei oraler Gabe neu eingefügt, um die Applikation zu erleichtern

Version 1.1 12/2021 Ursprungsversion

    Keine Gewährleistung für ausgedruckte Versionen - aktuell ist nur die Online-Version https://rdmed.n.roteskreuz.at/ oder die RKNÖ-App-Version (Aktualisierung alle 24h)!